Zeiterfassung auf dem Weg in die Netzökonomie

Vier Treiber begleiten den Wandel zu einer Lösung mit Mehrwert für Unternehmen und Mitarbeiter
Brauchen Unternehmen in Zeiten von New Work und auf dem Weg in die Netzökonomie noch das „Korsett“ einer Zeiterfassung? Wenn Leistung nicht mehr in Anwesenheit gemessen wird, sondern in Ergebnissen, dann ist es ja egal, ob ich drei oder acht Stunden für dieses Ergebnis benötige, oder? Diese Fragen stellen sich automatisch ein, sobald wir die Möglichkeiten und Abläufe einer kommunikationsorientierten, offenen und ergebnisorientierten Arbeitswelt durchdenken. Ist Vertrauensarbeitszeit das Mittel der Wahl, um mehr individuelle Freiheit zu schaffen?
Definiere „Zeiterfassung“
Wenn wir unter dem Begriff Zeiterfassung ein System verstehen, das die reine Anwesenheit im Unternehmen abprüft, dann ist die Antwort auf die oben gestellten Fragen einfach: Das brauchen wir nicht.
Zeiterfassung als Zweck der reinen Anwesenheitskontrolle, um daraus abzuleiten, ob gearbeitet wurde, ist nicht das geeignete Mittel, um den Herausforderungen der Arbeitswelt zu begegnen. Dieses Instrument entspricht einer Command-and-Control-Organisation, in der Befehlsempfänger im schlechtesten Fall nur ihre Zeit absitzen. New Work fordert Eigenverantwortung und diesen hohen Anspruch muss ein Arbeitnehmer auch im Hinblick auf den Umgang mit seiner Arbeitszeit erfüllen. Dazu braucht er eine Software, die das Selbstverständnis von Transparenz und direkter Kommunikation, welches aus der Nutzung des Internets und sozialer Netzwerke entsteht, in das Unternehmen weiterträgt. Eine Zeiterfassung, die ortsunabhängige Kommunikation und Abstimmung – sei es in Bezug auf Arbeitszeiten oder auf Abwesenheiten – ermöglicht. Ein Arbeitszeitmanagement, das sich von einer starren, hierarchiebezogenen Zeiterfassung löst und die Chancen der vernetzten Kommunikation nutzt, passt zu den Arbeitswirklichkeiten in der digitalen Transformation und zu den Erfordernissen, die sich aus dem Weg in die Netzökonomie ergeben. Im Gegensatz zur Vertrauensarbeitszeit, kann eine moderne Zeiterfassung sogar ein Treiber des Wandels im Unternehmen sein, indem sie dem Mitarbeiter die „Hoheit“ über seine Arbeitszeit ermöglicht. Dort, wo heute Arbeitszeiten und Dienstpläne top-down organisiert werden, Abwesenheiten intransparente Genehmigungshierarchien durchlaufen, kann Zeiterfassung in Zukunft ansetzen und Möglichkeiten schaffen. So wird aus der Fremdbestimmtheit ein sinnhafter Umgang mit wertvoller Zeit, denn wer weiß besser, wie seine Arbeit noch effizienter und zielgerichteter durchgeführt werden könnte, als der Mitarbeiter selbst?
Einfach alles abschaffen?
Wir leben in einer Gesellschaft, in der der Schutz des Arbeitnehmers, seine Gesundheit und seine Leistungsfähigkeit ein hohes Gut sind. Der Gesetzgeber setzt Grenzen mit Höchstarbeitszeiten und gibt Ruhezeiten vor. Auch die Einhaltung des Mindestlohns muss durch Aufzeichnungen sichergestellt werden können, Arbeitgeber und Arbeitnehmer profitieren von verlässlichen Daten. Das Wohl ihrer Mitarbeiter, und damit die Einhaltung der Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten, sind eine wesentliche Verantwortung für jede Führungskraft. Um Warnhinweise zu sehen und mit dem Mitarbeiter ins Gespräch zu kommen, sind Aufzeichnungen unerlässlich. Diese Aufzeichnungen dürfen aber nicht lästige Pflicht der Mitarbeiter sein, sondern müssen einen erkennbaren Mehrwert bieten. Es wird nicht reichen, eine neue Software einzuführen, die alle oben gestellten Forderungen erfüllt – wesentlich bleibt auch an dieser Stelle, dass Technologie und Kultur im Unternehmen zueinander passen müssen. Eine kollaborative Zeiterfassung benötigt eine kollaborative Kultur, erst dann erhalten Mitarbeiter ein Werkzeug an die Hand, mit dem Eigenverantwortung und Mitgestaltung gelebt werden können.
(Wie) kann Zeiterfassung der Aufgabe als ein Treiber hin zur Netzökonomie gerecht werden?
Während Industrie 4.0 Systeme und Prozesse über Wertschöpfungs-, Unternehmens- und Ländergrenzen hinweg vernetzt, verlangt Arbeit 4.0 nach einer Netzökonomie, die hierarchische Strukturen zugunsten von Kompetenz-, Wissens- und Entscheidungs-Autarkie aufgibt. Den Weg zur Netzökonomie begleiten vier Treiber: technologischer, sozialer, ökonomischer und kultureller Wandel. Diese vier Treiber haben, jeder für sich genommen, Einfluss auf die Prinzipien moderner Zeiterfassung. Zusammen genommen bilden sie die Grundlagen der neuen Arbeitswelt.
Technologischer Wandel – vieles ist möglich, aber es muss sinnvoll sein
- Mobile Work
- Work@Home
- Social Media
Neue Technologien verändern unser Arbeitsleben und schaffen die Basis, auf der heute selbstverständlich vernetzt gearbeitet wird. Hier ist insbesondere die transformative Kraft des Internets zu nennen, denn Vernetzung und ständige Kommunikation sind der Schlüssel zur Netzökonomie. Social Media erhält durch die Generation Y und Z Einzug am Arbeitsplatz, ist bei diesen Beschäftigtengruppen im Privaten bereits selbstverständlich. Arbeiten in der Wissensgesellschaft ist weder zeit- noch ortsgebunden. „Mobile Work“ bedeutet nicht nur „work@home“, sondern Arbeiten wo und wann ich es will. Außerdem sorgen Globalisierung und Fachkräftemangel, sowie eine stärker auf Wissen und weniger auf Positionen gerichtete Zusammenarbeit für vernetzte Teams, die über Orts- und Zeitgrenzen zusammen arbeiten.
Was bedeutet dies nun für eine moderne Zeiterfassung?
Werden die oben geschilderten Prinzipien der neuen Arbeitswelt nicht richtig umgesetzt, erleben wir sie als Belastung. Plötzlich kann ich Kollegen – völlig unerwartet – nicht im Büro antreffen, wo doch gerade heute der wichtige Kunde zu Besuch ist. Homeoffice bedeutet also nicht: Einfach mal zuhause bleiben! Hier sind die Akteure und somit jeder einzelne Mitarbeiter gefragt, eigenverantwortlich zu handeln und mitzudenken. Software kann unterstützen: Über kollaborative Techniken in der Kommunikation und einfache Workflows wird „work@home“ im Team abgestimmt. Wer von zuhause arbeitet, checkt im Vorfeld die Verfügbarkeit der Kollegen im Abwesenheitskalender und sucht für Präsenzaufgaben einen Vertreter aus. Die Kommunikation verläuft für das gesamte Team transparent. Wenn das Medium Zeiterfassung die gesamte Kommunikation über An- und Abwesenheiten steuert, muss diese im Gegenzug von überall zu bedienen sein – also „mobile“, ob per App, Telefon oder über Zeiterfassungsterminals.
Betrachtet man die tatsächlichen Wünsche der Arbeitnehmer in puncto technologische Neuerungen, so fällt auf, dass die Zeiterfassung nicht lästiges Beiwerk, sondern expliziter Wunsch ist. Laut einer Umfrage von YouGov sind Kernthemen der Zeiterfassung auf dem Wunschzettel für Business Apps stark vertreten. Dies gilt sowohl für Mitarbeiter als auch für Führungskräfte.
(Befragung des Marktforschungsunternehmens YouGov im Auftrag von Salesforce unter Erwerbstätigen in Deutschland mit dem Titel „App-Gap – Warum Unternehmen beim mobilen Arbeiten umdenken müssen“)
Diese aktuelle Wunschliste, bei der es im Wesentlichen um Erfassen, Dokumentieren oder einfaches Kontaktieren geht, wird nur der Anfang sein. Aus dem privaten Umfeld sind Techniken wie Siri von Apple, Googles „Now“ oder Amazons „Alexa“ bereits im täglichen Gebrauch. Auch Business Apps könnten mehr sein, als reines Auswertungsinstrument und werden künftig als Assistent dem Mitarbeiter und den Führungskräften dienen. Apps erkennen, wann es Zeit ist, eine Pause einzulegen und weisen den Mitarbeiter darauf hin. Dann sind wir auf dem Weg zu einem mitarbeiterzentrierten Auslegen von Zeiterfassungsdaten und helfen gleichermaßen den Führungskräften in ihrer Rolle als Coach auf einen positiven Gesundheitsindex hinzuwirken.
Sozialer Wandel – neue Generationen verlangen eine neue Art der Zusammenarbeit
- Digital Natives
- Fachkräftemangel
- Generation Gap
- Demografischer Wandel
Auf dem Arbeitsmarkt kämpfen Unternehmen um die Digital Natives. Der Generation Z, die jetzt langsam mit der Schule fertig ist, fehlt völlig das Bewusstsein, um zwischen den klassischen und neuen Medien zu unterscheiden, da mittlerweile alle Medien digital geworden sind. Social-media-Techniken finden sie selbstverständlich und nützlich: transparent, ortsunabhängig und asynchron. Berufliche und private Trennung spielen hierbei eine untergeordnete Rolle. Somit wächst die Erwartungshaltung, Techniken aus dem privaten im geschäftlichen Umfeld zu verwenden. Im Moment bedienen Unternehmen diese Erwartung noch in unzureichendem Maße. In den Ergebnissen der YouGov-Umfrage fällt auf, dass deutlich mehr Teilnehmer mobile Geräte im privaten als im beruflichen Umfeld nutzen. Noch stärker ist die Diskrepanz bei den Apps: 83% der Befragten nutzen privat regelmäßig Apps, aber nur 17% tun dies im Beruf. Allerdings: 52% der Befragten wünschen sich, mehr berufliche Aufgaben mittels Apps umsetzen zu können. Ebenso sind nur 37% der Befragten mit den Bemühungen der Arbeitgeber zufrieden, die in Richtung „mobiles Arbeiten“ angestrengt werden.
Aus den Ergebnissen dieser Umfrage (und im Hinterkopf haltend, dass Unternehmen die Arbeitnehmer der jungen Generationen aufgrund des demografischen Wandels wirklich brauchen) ergibt sich dringender Handlungsbedarf für Arbeitgeber UND Hersteller. Wenn die Digital Natives sich eine mobile Zeiterfassung und Abwesenheitsplanung per App wünschen, dann sollte man ihnen diese auch ermöglichen. Denn: Diese Funktionen möglichst kollaborativ, einfach und „schick“ zur Verfügung zu stellen, wirkt sich unmittelbar auf die Arbeitgeberattraktivität aus. Ein Umdenken in der Umsetzung und Kommunikation von Zeiterfassungssystemen ist daher notwendig und führt hin zu einer Nutzung von allen Mitarbeitern und zum Nutzen für alle Mitarbeiter, indem die direkte Kommunikation gestärkt wird.
Ökonomischer Wandel – Netzökonomie ist keine Kuschelgesellschaft
- Flexible Beschäftigung
- Zeitmanagement
- Kosteneffizienz
Auch wenn es in „New Work“ um „weiche“ Themen wie Kommunikation, Eigenverantwortung und Zufriedenheit geht, darf nicht vergessen werden, dass „Kuscheln“ kein Daseinszweck für Unternehmen ist. Sie denken wirtschaftlich– jetzt und in Zukunft. Daher ist eine moderne An- und Abwesenheitsplanung gerade im Hinblick auf flexible Projektteams das „A“ und „O“ von New Work. Sie unterstützt hervorragend die Balance zwischen einem optimalen Einsatz der „Humanressourcen“ und gleichzeitig der Sorge für und um die Mitarbeitergesundheit. Ein kosten- und ressourceneffizientes Management von Zeit und Zutritt wird zudem wichtig im Hinblick auf die steigende Zahl externer Projektmitarbeiter. Zukunftsforscher weisen darauf hin, dass die oben genannten Möglichkeiten der Flexibilisierung im Arbeitsumfeld dazu führen werden, dass die Festanstellung im Unternehmen zugunsten flexibler Arbeitsverhältnisse abnimmt. Aber auch diese flexiblen Mitarbeiter müssen in zunehmend (daten-)geschützte Unternehmensumfelde eingebunden werden und zwar möglichst „barrierefrei“ und effizient. Zeiterfassung und Zutrittskontrolle können das leisten, so dass externe Mitarbeiter einfach erfasst werden, Zugriff auf die Kommunikationsgruppen haben und sich direkt mit ihrer Arbeitszeit einbringen können. Finden Meetings vor Ort statt, so trägt sich der externe Mitarbeiter vorab über seine App ein und erhält Zugang über RFID-Chip oder sein Smartphone.
Zeiterfassung dient für externe Beschäftigungsverhältnisse zudem als Nachweis und Berechnungsgrundlage. Durch direkte Verknüpfungen mit dem Abrechnungssystem werden die erfassten Daten zur – für beide Seiten nachvollziehbaren – Abrechnung weiter gereicht.
Kultureller Wandel – Balance finden und Verantwortung stärken
- Interdisziplinarität
- Arbeit + Freizeit
- Corporate (Social) Responsibilty / C(S)R
Glaubt man den Studien über die Generation Z, so wird diese eine stärkere Trennung zwischen Arbeits- und Freizeit bevorzugen und damit die Diskussion um „Work-Life-Blending“ – die Vermischung von Arbeit und Freizeit – beenden. Aber letztlich ist das Generationenthema zweitrangig, denn jeder Arbeitnehmer wünscht sich einen ausgewogenen Mix, nur ist diese Ausgewogenheit individuell extrem unterschiedlich besetzt. Lebensumstände, Alter, Geschlecht und Zeitfaktoren (z.B. Projekttermine) im Job beeinflussen den jeweiligen Work-Life-Mix. Was wir also überhaupt nicht gebrauchen können, sind Zeiterfassungssysteme, die einen starren Rahmen vorgeben, in dem „man zu arbeiten hat“. Diese führen lediglich zum Phänomen „Präsentismus“ – ich bin da, also arbeite ich.
Was wir dagegen benötigen, sind Systeme, die es möglich machen, die oben dargestellten Einflussfaktoren auf dem Work-Life-Mix flexibel abzubilden und Szenarien zu erarbeiten, in denen Wochen-, Monats-, Jahres- und/oder Lebensarbeitszeit an (sich ändernde) Umstände angepasst werden können. Außerdem wollen Arbeitnehmer Verschiebungen der Arbeitszeit einfach mit den Teamkollegen kommunizieren und transparenten Einblick in Saldenstände, um eigenverantwortlich für eine gute Work-Life-Balance zu sorgen. Umgesetzt werden können diese Anforderungen von Systemseite durch Ampelkonten, die schnell anzeigen, welcher Zeit-Saldo in den gelben Bereich abdriftet und einer Anpassung bedarf, damit der rote Bereich „umfahren“ wird. Hier finden wir die Führungskräfte in ihrer essenziell wichtigen Rolle als Coach – sie begleiten und unterstützen Mitarbeiter, die mit der alleinigen Zeitverantwortung nicht gut klarkommen.
Denn was passiert, wenn ein Mitarbeiter nicht mit der alleinigen Verantwortung klar kommt, im Ampelkonto immer weiter in die rote Zone abdriftet? Sei es, weil der Mitarbeiter mit der Verantwortung überfordert ist, Arbeiten nicht sieht und eben nicht eigenverantwortlich annimmt, somit keine Auslastung hat. Oder Salden angehäuft wurden, weil ein Nein-Sagen schwerfällt. Hier muss die Führungskraft mit dem Mitarbeiter Maßnahmen entwickeln und umsetzen. Zeiterfassung dient zum einen als Frühwarnsystem für die Leitungsebene, zum anderen als Gesprächsgrundlage, um dem Mitarbeiter die Lage transparent verdeutlichen zu können.
Dieses Beispiel der Coaching-Funktion von Führung spiegelt sich an vielen Stellen im neuen Unternehmensverständnis wider. CSR oder CR – Corporate (Social) Responsibility meint, dass Unternehmen zunehmend Verantwortung übernehmen (müssen) – für sich, für ihre Mitarbeiter und für ihre Umwelt. Der verantwortungsbewusste Umgang mit der Lebens- und Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter ist hier nur ein Bestandteil, aber sicherlich nicht der unwichtigste.
Fazit
Die Digitalisierung der Zeiterfassung hin zu einer kollaborativen Plattform und ihre Verankerung in New Work und Netzökonomie bietet in allen Feldern – technologisch, sozial, ökonomisch und kulturell – hohes Potenzial für Unternehmen, ihre Führungskräfte und für Mitarbeiter. Die softwaregestützte Zeiterfassung ist noch lange nicht überholt, aber die Konzepte und die Zielsetzungen der Vergangenheit sind es sehr wohl. Starre Systeme, die auf “command-and-control“ basieren und Dienst-nach-Vorschrift sowie Präsentismus fördern, haben in unserer Zeit keinen Platz mehr. Zeiterfassung muss sich dem kulturellen Wandel der Arbeitswelt anpassen. Sie muss kommunikativ werden, über alle Hierarchieebenen hinweg funktionieren und durch schnelle, zielgerichtete Kommunikation für reibungslose Abläufe im Unternehmen sorgen. Sie muss Freiräume für Mitarbeiter schaffen und es ihnen gleichermaßen ermöglichen, diese auszunutzen. Und Zeiterfassung muss „Führung“ ermöglichen, im Sinne einer Coaching-Funktion und zunehmenden Verantwortungsübernahme.

Alexander Kern ist IT-Systemkaufmann und seit 2016 Niederlassungsleiter der VEDA Zeit GmbH in Offenburg. Die Technologien und Themen von Zeit & Zutritt kennt der junge Familienvater nach mehreren Jahren in Hotline, Entwicklung und als Team-Manager aus dem Effeff. Spannend findet er die Veränderungen der Arbeitswelt durch die digitale Transformation: Bisher analoge Prozesse werden agil und gerade die jungen Mitarbeiter bringen ganz neue Impulse und Kommunikationsformen ein.